Unterhaltspflichtiger bezieht ALG II und Einkommen aus Teilzeitbeschäftigung - Bundesgerichtshof, 15.01.2020, VII ZB 5/19
Auf die Pfändung des Einkommens aus Minijob bei eigenen Unterhaltsansprüchen des verheirateten Elternteils wurde bereits an anderer Stelle eingegangen.
In der Heranziehungspraxis vieler Unterhaltsvorschusskassen ebenfalls nicht selten: „ALG II-Bezug und Minijob„
In der Entscheidungssammlung zu UH-LEX wird auf die v. g. Rechtsprechung des BGH in der folgenden Fallkonstellation ausführlich hingewiesen.
Fall: Der barunterhaltspflichtige Elternteil war früher erwerbstätig und zahlte trotz Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt. Oder: Er erzielte kein Einkommen, profitiert insoweit von den Beschränkungen des § 7a UntVorschG.
Während des SGB II Leistungsbezuges wurden und werden keine im unterhaltsrechtlichen Umfang erforderliche Erwerbsbemühungen nachgewiesen, die Unterhaltsvorschusskasse musste deshalb wegen der Ansprüche aus fiktiver Leistungsfähigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen.
Nachdem die Unterhaltsvorschussbehörde den Anspruch für die Vergangenheit geltend macht, wird der Pflichtige aus nicht eindeutig nachvollziehbaren Gründen arbeitslos. Und/ Oder: Erwerbsbemühungen um eine Vollzeitstelle weist er weiterhin nicht nach – im Gegenteil. Er arbeitet jetzt nur noch stundenweise und erzielt ein Einkommen in Höhe in Höhe von 450 €. Aufstockend erhält er jetzt ALG II.
In der Praxis kein seltener Fall, oder?
Vollstreckungsmäßnahmen haben keinen Erfolg, wenn das Amtsgericht bei der Pfändung von Arbeitseinkommen als „notwendigen Unterhalt“ standardmäßig „pfandfrei“ etwas mehr als den doppelten SGB XII-Regelbedarf – vielerorts 900 €, 950 € oder vereinzelt sogar 1.000 € belässt.
Der Bundesgerichtshof, 15.01.2020, VII ZB 5/19, WM 2020, 323 = openJur 2020, 1209 = FamRZ 2020, 532, entschied zur Berücksichtigung von ALG II-Leistungen bei der Pfändung von Unterhaltsansprüchen und Einkommen aus einem sog. Minijob:
Arbeitslosengeld II-Leistungen, die der Schuldner erhält, sind bei einer erweiterten Pfändung (§ 850d ZPO) von Arbeitseinkommen unbeschadet des sich aus § 42 Abs. 4 Satz 1 SGB II ergebenden Pfändungsschutzes im Sinne einer Minderung des Pfändungsfreibetrags gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen, sofern und soweit bei einer derartigen Berücksichtigung das sozialhilferechtliche Existenzminimum des Schuldners gesichert bleibt.
Die Unterhaltsvorschusskasse hatte – unter Hinweis auf § 7 Abs. 5 UntVorschG aufgrund eines Vollstreckungs-bescheides – Arbeitseinkommen des Schuldners (450 €) gepfändet.
Der Schuldner habe ein Nettoarbeitseinkommen von monatlich 450 €. Zusätzlich erhalte er Arbeitslosengeld II. Das Jobcenter belasse ihm vom Nettoarbeitseinkommen einen Grundfreibetrag von 170 € und rechne lediglich 280 € an. Mit diesen 280 € und dem Arbeitslosengeld II sei der Gesamtbedarf des Schuldners vollständig gedeckt. Dem Schuldner stehe lediglich noch ein Mehrbedarf für seine Erwerbstätigkeit zu. Dieser sei mit 70 € anzusetzen, da der Schuldner nur stundenweise arbeite. Daher ergebe sich eine Pfändungsfreigrenze von 350 € für das Arbeitseinkommen (280 € Einkommensanrechnung und 70 € Mehrbedarf). Damit seien vom Nettoarbeitseinkommen monatlich 100 € für die Unterhaltsansprüche der Tochter des Schuldners pfändbar.
Unter Berücksichtigung des ALG II hat es beantragt, dem Pflichtigen hiervon nur 350 € zu belassen.
Die UVK wollte mit der Pfändung mtl. 100 € auf Rückstände pfänden und hat mit ihrer sofortigen Beschwerde Erfolg.